News
Verschiedene Welten: Eine Hebammenstudentin besucht Jamaica
Eidechsen im Zimmer & Bohnen zum Frühstück
Das Leben in Jamaica ist ganz anders als erwartet, aber sehr beeindruckend. Ich musste mich mit vielen Eindrücken zurechtfinden: Nur schon die Ankunft am Flughafen, die lange Fahrt über die schlecht ausgebauten Strassen und die tropische Luft waren ein Erlebnis. Ich wohnte in einer Gastfamilie, da gab es gerne mal Eidechsen im Zimmer, laut bellende Hunde vor dem Fenster, kaltes Wasser zum Duschen und selten Internetempfang. Zu jeder Mahlzeit wurden Bohnen und Bananen serviert, aber grundsätzlich war das Wohnen sehr in Ordnung. Die Familie war sehr herzlich und auch meine zwei Zimmernachbarinnen aus England und Deutschland waren eine gute Partie.
Verrückte Taxi- & Busfahrten
Unterwegs war ich grundsätzlich mit dem Taxi. Ich hatte meinen Fahrer, den ich immer anrufen konnte. Das Taxifahren war aber jedes Mal ein Abenteuer. Einmal hatten wir irgendwo im nirgendwo kein Benzin mehr oder wir fuhren lange Strecken mit 10 Personen in einem Fünfplätzer. Kaum vorzustellen! Ein weiteres Abenteuer ist das Fahren mit öffentlichen Bussen. Für Touristen gibt es einen „Luxusbus“, wir Volontäre fuhren jedoch mit den Einheimischen mit. Da werden die Busse, wie auch die Taxis, vollgestopft und es wird nicht losgefahren, bevor auch der letzte Notsitz besetzt war. Da wird auch nicht wie hier üblich geschweigen und ins iPhone geguckt, nein, da wird lauthals gesungen, Reggae Musik gehört und gequatscht. Sorgen machten wir uns auf diesen Fahrten keine, auch wenn man mal an bewaffneten Polizisten am Strassenrand vorbeigefahren ist oder der Fahrer vor der Fahrt noch einen Joint geraucht hat, das ist in Jamaica üblich und was sehr beeindruckend.
Neue Situationen als weisse Studentin
Der Umgang der Jamaicaner, selbst von den Ärzten, mit mir als Schweizerin war sehr respektvoll. Die Schweiz geniesst auch in Jamaica ein hohes Ansehen. Oft wurden die Medizin, die Politik und das Finanzwesen gelobt. Und nicht zu vergessen natürlich die leckere Schokolade, welche ich mitgebracht habe. Als blonde, weisse Frau durfte ich aber vor allem in der Nacht nicht alleine rumlaufen, dies hätte ich mich aber auch nie getraut. Da man mir natürlich von weitem ansah, das ich nicht einheimisch bin, wurde ich sehr oft angesprochen, ob ich Geld habe, die Männer heiraten wolle oder sie mit in die Schweiz nehmen würde. Habe ich natürlich dankend abgelehnt ;-).
Geburtshilfe mal anders
Die Arbeit im öffentlichen Spital war die grösste Umstellung. Die ersten Tage waren regelrecht schockierend. Die heruntergekommene Einrichtung des Spitals, die Räume ohne Fenster, ca. 100 Frauen gemeinsam in einem Saal, kein fliessendes Wasser oder die Hygiene, die nicht existierte.
Auch die Art, wie die Hebammen gearbeitet haben, entsprach nicht meinen Vorstellungen und Erfahrungen aus der Schweiz. Die Frauen durften nicht selber entscheiden, sich nicht frei bewegen und wurden sehr respektlos behandelt. Da waren auch Handgriffe und Abläufe üblich, welche ich bei uns noch nie gesehen habe. Glücklicherweise konnte ich mich mit der deutschen Hebamme austauschen und zusammen konnten wir auch auf die Hebammen zugehen und ihnen unsere Vorstellungen sowie unser Gelerntes erklären. Diese wollten aber nichts von der Schweizer Art des Gebärens hören. Mit der Zeit akzeptierten wir dies und wenn die Hebammen nicht anwesend waren, haben wir die Frauen nach unseren Normen betreut. Diese waren alle sehr, sehr dankbar und konnten nach eigener Aussage eine gute Geburt erleben. In persönlichen Gesprächen fanden wir heraus, dass die Frauen das auch anders kennen würden, aber aus finanziellen Gründen hierhin kommen müssen. Sie konnten nicht in ein Privatspital gehen, wie das zum Beispiel meine Gastmutter machte. Dort sieht die Situation um einiges besser aus.
Im öffentlichen Spital mussten alle Utensilien für die Geburt selber mitgebracht werden, auch WC Papier. Wer nichts hatte, war selbst schuld.
Auch den Operationssaal und die Neonatologie konnte ich kennenlernen. Teilweise konnte ich nur noch staunen, da durfte ich gar nicht viel darüber nachdenken. Kaiserschnitte handhaben sie auch als wäre diese Art des Gebärens gleichgestellt mit der Spontangeburt. Die Mortalitätsrate war dennoch erstaunlich tief, sogar bei den Frühgeborenen.
Die Erfahrung war ganz klar sehr wertvoll, spannend und wichtig für mich. Zu denken, in den Entwicklungsländern gebäre man sehr natürlich, ohne Medikamente, Stress und Interventionen und auf den natürlichen Vorgang der Geburt beruht, ist völlig verkehrt. Die Hilfsmittel, die diese Länder aus den entwickelten Ländern erhalten, sind wohl gut gemeint, aber helfen diesen Ländern nicht zum idealen Fortschritt.
Dennoch war es sehr wertvoll zu sehen, dass Situationen, die in der Schweiz wegen frühzeitigem Kaiserschnitt nicht mehr vorzufinden sind, auch gut ausgehen können. Dass es dem Kind nach der Geburt in solchen Fällen trotzdem gut geht, zeigt auch, dass die Schweizer vielleicht zu vorsichtig sind und zu schnell zu Interventionen greifen.
Aufgaben und Freizeit der Volontäre
Da war jedoch nicht nur die Arbeit, an gewissen Tagen haben alle Volontäre zusammen eine Aufgabe gehabt. Zum Beispiel benötigte der Kindergarten einen neuen Anstrich, da dies sonst zu teuer gewesen wäre.
Am Wochenende haben wir uns oft zu einer Gruppe zusammengetan und Trips an verschiedene, ausnahmslos paradiesische Orte der Insel gemacht. Die Karibik ist wunderschön, und Jamaica selbst dazu noch nicht sehr touristisch und verbaut. Es gibt tolle Märkte mit frischen, unbekannten Früchten, weisse Strände mit türkisblauem Meer und Palmen, beeindruckende Menschen und eine wundervoll schöne Landschaft, grün, tropisch und staunenswert.
Trotz den vielen nicht nur positiven und damals auf den ersten Moment teils schockierenden Erfahrungen, war es ein grossartiger Monat, der sich vollkommen gelohnt hat und mir immer in bester Erinnerung bleiben wird. Ich würde sofort wieder ein Volontariat machen und empfehle jedem, der diese oder eine ähnliche Möglichkeit hat, es unbedingt zu tun.
Weitere Informationen:
Was gab es sonst noch im Vorfeld zu organisieren?
Ich musste viele administrative Dinge erledigen und mich über das Land informieren. Einen Lebenslauf, medizinische Fragen, Fragen über mein Studium, meine Fähigkeiten & Kompetenzen, Wünsche, Allergien, etc. angeben. Dazu musste ich eine Referenzperson angeben, mit der auch Kontakt aufgenommen wurde. Ich gab da einfach eine Dozentin der ZHAW an.
Eine Versicherung und Flüge habe ich selbstständig organisiert, dies könnte man auch Projects Abroad überlassen. Dies war auf eigenem Wege jedoch positiv, da die Flüge durch die Organisation nicht ideal gebucht wurden. (lange Wartezeiten, oft Umsteigen, einfach am günstigsten)
· Fazit / Empfehlung
Wenn die Möglichkeit besteht, so etwas zu machen, muss man zupacken. Ich denke, in jedem Beruf ist es spannend, in ein Entwicklungsland zu gehen, nicht nur im Gesundheitswesen. Es gibt verschiedene Wege, so ein Praktikum zu absolvieren, ich habe auch Medizinstudenten kennengelernt, die auf eigene Faust gekommen sind und etwas gesucht haben. Zum einen ist der organisierte Weg über dieses Projekt bestimmt teurer, jedoch ist alles organisiert und man lernt dazu noch andere, super tolle Menschen kennen, was den Aufenthalt natürlich noch mehr bereichert und noch bessere Erinnerungen hinterlässt. Kennt man zufällig jemanden in einem Land, macht man das jedoch am besten direkt über diese Person, vielleicht dort zu wohnen und zu arbeiten, was dann natürlich alle organisatorischen Kosten für das Projekt erspart.
· Visum, Impfungen, Versicherung
Für meinen Aufenthalt (31 Tage) brauchte ich kein Visum, wichtig war jedoch, nicht als „Arbeitende“ sondern als „Tourist“ ins Land einzureisen, also beim Zoll habe ich gesagt, ich mache Ferien.
Spezielle Impfungen musste ich keine machen, jedoch habe ich als Hebammenstudentin vor dem Studium schon sehr viele gemacht. Auch Malaria war kein Thema für mich, was in anderen Ländern sehr wichtig ist. Auf der Homepage der EDA findet man viele nützliche Infos dazu. Zur Versicherung, da habe ich einfach eine Internationale Reiseschutzversicherung gemacht, unabhängig vom Projekt.
· Vertrag mit dem Praktikumsort
Einen richtigen Vertrag gab es da nicht. Ich habe mich bei Projects Abroad angemeldet, eine Bestätigung erhalten und alles weitere fortlaufend organisiert.
· Supervision, Betreuung am Praktikumsort
In Jamaika gab es die Projects Abroad Office, die sich um alle Dinge gekümmert hat. Ein Einführungstag wurde gemacht, da bekamen wir viele Infos, wichtige Orte wurden gezeigt (Bank), ein Handy mit Simkarte wurde „gekauft“ (sehr günstig), der Praktikumsplatz wurde gezeigt etc.
Für die Institution war dann wieder jemand anders zuständig, der sicher 1x pro Woche im Gebärsaal vorbeischaute, ob alles gut ist. Es gab Aktivitäten, die durch diese organisiert wurden. Tanz, Spiel, Karaoke, und auch Praktikumsspezifisch (bei uns erste Hilfe Kurs, Diabetes, HIV,…)
Es hat uns auch jemand am Flughafen abgeholt und zurück gebracht, dies funktionierte alles super.
· Kontaktperson am Praktikumsort: Name, Email, Tel.
Projects Abroad | Projekte weltweit
Torstraße 83
10119 Berlin
Deutschland
Tel: +49 (0)30 23 45 72 23 Fax: +49 (0)30 23 45 73 11
Projects Abroad Jamaica
Cherricha Jacobs
Assistant Country Director & Desk Officer - Jamaica
E-Mail : jamaica@projects-abroad.org
Tel: +1 (876) 962 5462 Mob: +1 (876) 894 4678 Fax: +1 (876) 962 5461
· welche Unterkunft, Tipps Leben vor Ort, Schwierigkeiten
Alle, die mit Projects Abroad in Jamaica waren, lebten bei einer Gastfamilie. Man musste einfach vorsichtig sein, da in Jamaica, wie in vielen Entwicklungsländern, die Kriminalitätsrate hoch ist. Als Frau nicht alleine herumlaufen und keine Luxusuhren oder Kameras tragen. Ich habe jedoch nie eine gefährliche Situation erlebt.